Ursprung in der Vergangenheit – Präsenz in der Gegenwart

Erinnerungen

Die Vergangenheit… jeder hat sie, seine ganz eigene. An manches erinnern wir uns gern, anderes ist wohl eher mit dem Schriftzug „Bitte vergessen!“ versehen. Daneben gibt es allerdings auch das Phänomen: es wäre okay, wenn wir uns erinnern, trotzdem ist da kein Schimmer einer Erinnerung. Kennen Sie das? Sie unterhalten sich mit jemanden, mit dem sie ein gemeinsames Erlebnis in der Vergangenheit teilen, ein gemeinsamer Urlaub, ein Wochenende, ein Gespräch oder ein gemeinsames Essen. Und wenn Sie mit dieser Person über das gleiche Ereignis in Erinnerungen gleiten, dann entsteht ab und zu der Eindruck, als wären Sie doch nicht dabei gewesen? Sie können sich einfach nicht an das erinnern, was da gerade erzählt wird, obwohl sie das offensichtlich gemeinsam erlebt haben. 

Fokus

Das hat auch etwas mit unserer Wahrnehmung zu tun. Das, was uns gerade beschäftigt, das nehmen wir besonders sensibel auf. Wahrnehmung ist das subjektive Ergebnis von Informationsgewinnung und -verarbeitung. Es kann also sein, dass der Freund oder die Freundin mit der sie vor ein paar Monaten gemeinsam im Strandcafé saßen von den vielen niedlichen Hunden spricht, die vorbei gelaufen sind oder im Café mit Streicheleinheiten überhäuft wurden. Eventuell hat sich diese Person gerade damit beschäftigt, einen Hund zu kaufen und somit lag der Fokus und die Wahrnehmung darauf. Im Gegensatz dazu können Sie sich an überhaupt keinen Hund erinnern, sie hatten den ganzen Tag nichts gegessen, kamen mit knurrenden Magen zu dieser Verabredung und bekommen im Nachhinein noch ein Lächeln im Gesicht, wenn sie an dieses leckere, riesengroße Tortenstück denken. Gleiche Situation, unterschiedliche Erinnerungen.

Heilpraktikerin für Psychotherapie

Perspektivwechsel

Wie kann es noch zu unterschiedlichen Wahrheiten kommen? Ein anderer Blickwinkel, die Sicht aus einer anderen Perspektive. Zwei Personen stehen direkt nebeneinander am Strand, die eine Person schaut auf das Wasser, die andere in Richtung des Sandstrandes – gleicher Tag, Zeit, Ort, nur ein anderer Blickwinkel und somit eine ganz andere Beschreibung der Situation, die visuell wahr genommen wird. Die auditive Wahrnehmung kann sich eventuell gleichen: beide hören das Meer rauschen.

Jetzt wäre es doch sehr naheliegend und schön einfach, wenn beide Personen in die gleiche Richtung schauen, auf das Wasser und somit das gleiche sehen, hören… und wahrnehmen. Ja, es kann sich ähneln, allerdings kann das wahrgenommene auch meilenweit auseinander liegen.

Denn zusätzlich zu den selektiven Wahrnehmungen unserer Sinne, kommen auch noch die individuellen Erfahrungen aus der Vergangenheit dazu. Verknüpfungen können durch äußere Reize wach gerufen werden, die mit der aktuellen Situation nicht unmittelbar etwas zu tun haben. Der Körper, das Körpergedächtnis erinnert sich. Hier können offensichtliche Verknüpfungen sichtbar werden, aber auch Reaktionen, deren Bedeutung im Verborgenen liegen.

Um bei dem Beispiel – zwei Menschen schauen aufs Wasser – zu bleiben und zwei unterschiedliche Reaktionen zu verdeutlichen: beide sehen das Wasser, hören die Möwen, fühlen den leichten Hauch des Windes und schmecken die salzige Luft.

Unterschiedliche Reaktionen, durch unterschiedliche Erlebnisse

Die erste Person fängt an zu lächeln, sie würde uns sagen, dass ein wohlig warmes Gefühl ihren Körper durchströmt hat, denn diese Person fühlt sich in dem Moment zurückversetzt. Sie erinnert sich an den ersten Urlaub mit den Eltern am Meer, voller schöner Erinnerungen und kindlicher Glücksgefühle.

Die zweite Person tritt einen Schritt zurück, zieht die Schultern hoch und atmet schwer. Hier werden Erinnerungen an einen Segelausflug wach, an dem das Wetter plötzlich umschlug, es sehr hektisch auf dem Boot wurde und Angst das vorherrschende Gefühl war.

Eine Situation. Zwei unterschiedliche Erfahrungen in der Vergangenheit. Zwei subjektive Wahrnehmungen und zwei Reaktionen. Und die Liste an unterschiedlichen Betrachtungsweisen und Reaktionen kann selbstverständlich verlängert werden, umso mehr Personen mit einbezogen werden.

Es gibt genügend Situationen, in denen die Reaktionen nicht so offensichtlich und nachvollziehbar sind. Viele Menschen verstehen ihre eigenen Reaktionen nicht und möchten ihre Verhaltensmuster gern ändern, weil oftmals im Nachhinein klar wird, dass die Reaktion unangemessen war.

Es fühlt sich an, als wenn im eigenen Körper plötzlich jemand anderes das Kommando übernimmt und die Reaktion nach einem bestimmten, immer wieder gleichem Muster abläuft.

Verhaltensmuster auf der Spur

Gern möchte ich zum Abschluss ein Beispiel aus meiner Praxis kurz beschreiben, um zu verdeutlichen, dass es sich lohnen kann einen Blick in die Vergangenheit zu wagen, um Verhaltensmuster zu entdecken, zu verstehen, einordnen zu können und loszulassen. Denn Reaktionen, Gefühle, körperliche Empfindungen, die sich in einem Moment zeigen, können ihren Ursprung in der Vergangenheit haben.

Praxisbeispiel

Für solche berührenden Gespräche braucht es Vertrauen und Raum, in dem sich die Klienten sicher fühlen.
Meine Klientin, eine verheiratete junge Frau und Mutter, ertappt sich immer wieder dabei, wie sie traurig, sogar wütend wird, wenn ihr Sohn und ihr Mann gemeinsam spielen und sie in dem Moment nicht gebraucht wird. Sie versteht sich selbst nicht, warum sie darauf so reagiert, sie könnte die Zeit doch nutzen, jedoch schafft sie das (noch) nicht. Sie möchte nicht wütend auf die beiden sein, es ist doch schön, dass die beiden sich so gut verstehen. Sie versucht mit ihrem Verstand eine Lösung zu finden bzw. einen Grund für ihre Traurigkeit in diesen Momenten ausfindig zu machen.
In unserem Gespräch begleite ich die Klientin in ihre Gefühlswelt, ermutige sie, ihren Körper, ihre Körperempfindungen wahr zu nehmen. Und die Verzweiflung wird körperlich sichtbar. Es fließen Tränen, da ist Hilfslosigkeit, Traurigkeit, ein „Ich bin nicht wichtig.“

Kann sie sich an dieses Gefühl erinnern, hat sie das zu früheren Zeiten schon einmal so wahr genommen? Ja… jetzt erinnert sie sich. Über ihren Körper hat sie jetzt einen Zugang gefunden:
Als kleines Mädchen ist sie oft mit ihrem Vater vom Kindergarten oder nach anderen Erledigungen durch das Dorf gelaufen, in dem ihr Vater sehr bekannt war. Sie haben oft angehalten, weil er sich mit anderen Leuten unterhalten hat und sie war in diesen Momenten nicht wichtig. Die anderen waren wichtiger. Sie wollte nach Hause, spielen, Aufmerksamkeit von ihrem Vater… es war egal, sie war nicht so wichtig, wie die Gespräche mit den anderen Leuten. Dieses Gefühl „Ich bin nicht wichtig“ hat sich fest gesetzt, sie hatte dem als Kind nichts entgegen zu setzen und nun wird es wach, wenn ihr Mann und ihr Sohn miteinander spielen und sie Zeit für sich hätte.

Es ist für die Klientin eine Erleichterung zu verstehen, dass ihre Traurigkeit und Wut nicht in Verbindung mit ihrem Sohn und ihrem Mann steht. Es ist das kleine Mädchen, welches sich unwichtig fühlt, traurig und verzweifelt ist.

Jetzt kann das kleine Mädchen im Nachhinein gesehen werden, Trost und Aufmerksamkeit bekommen und die Erwachsene dadurch wachsen, bewusster werden und ausgeglichener reagieren.




Respekt für die Vergangenheit

Wie schön wäre es, wenn Verhaltensweisen, Reaktionen, die wir bei anderen nicht unbedingt nachvollziehen können, trotzdem akzeptiert werden können. Mit Respekt für die Vergangenheit und die Erfahrungen, mit all den Verletzungen und Freuden, die der-/diejenige in sich trägt. Viel zu schnell sind wir dabei andere zu verurteilen, die nicht so reagieren, wie wir es tun… doch haben die anderen ja auch eine andere, ihre eigene Geschichte.

 

Wenn auch Sie Ihre Gewohnheiten, Ihre Verhaltensmuster verstehen und/oder verändern wollen, dann lassen Sie uns gemeinsam auf diesen Weg gehen.

Ich freue mich über Ihre Nachricht.